Erschienen im Magazin “OrganisationsENTWICKLUNG, Nr 4 2018,”
von Bettina Freihofer
Wie sieht eine Mitarbeiterkommunikation in einer Welt der «Echzeit-Kommunikation » aus? Welche Relevanz hat der Informationsfluss und der Austausch mit den Mitarbeitenden, über welche Kanäle, mit welchen Ressourcen? Ein Fallbeispiel.
Für die Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Mast umfasst die Interne Kommunikation sämtliche kommunikative Prozesse, die sich in einem Unternehmen zwischen dessen Mitgliedern abspielen (Mast 2013). Zu den Zielen und Aufgaben der Mitarbeiterkommunikation gehören unter anderem die Förderung des Wir-Gefühls und von Vertrauen innerhalb der Organisation, Transparenz und Motivation sowie die Optimierung organisatorischer Abläufe durch abgestimmte Information. Zudem gilt es, den Wissenstransfer unter den Mitarbeiten den zu fördern, Ängste und Unsicher heiten inbesondere bei Veränderungen abzubauen (vgl. Buchmann 2010). Interne Newsletter,Intranet, Kooperationsund Kollaborationsplattformen, Mitarbeiterzeitungen sowie Informations Veranstaltungen zählen heute noch immer zu den beliebtesten Kommunikationskanälen. Die Einwegkommunikation bildet in vielen Unternehmen – im Zeitalter von Sozialen Medien und Digitalisierung – nach wie vor die Basis der Internen Kommunikation, wenn nicht sogar den überwiegenden Standard.
Neben der Frage des Kanals stellt sich jene nach der Delegierbarkeit der Mitarbeiterkommunikation an eine Fachabteilung. Darüber lässt sich trefflich streiten. Kaum diskutieren lässt sich die Bedeutung der Kommunikation innerhalb einer Organisation. Informationen müssen fließen und zur richtigen Zeit in der richtigen Form am richtigen Ort sein, damit Wertschöpfung entstehen kann. Im European Communication Monitor 2018 (ECM 2018) beurteilen 3.096 Kommunikationsspezialisten aus 48 Europäischen Ländern folgende drei Themen als wichtigste strategische Herausforderungen im Bereich des Kommunikations-Managements bis 2021: (1) den Aufbau und Erhalt von Vertrauen, (2) die Verlinkung von Unternehmensstrategie und -kommunikation sowie (3) den Umgang mit der digitalen Transformation und den Sozialen Medien. Im Hinblick auf die dritte Herausforderung ist interessant festzustellen, dass viele Mitarbeitende Soziale Medien bereits selbstverständlich in ihrer alltäglichen Kommunikation nutzen. Sei es als Whats App, Facebook,Twitter oder Instagram – je jünger die Menschen, desto stärker gehören die Sozialen Medien zum Repertoire des Austausches, auch unter Mitarbeitenden eines Unternehmens. Die Transformation zur Echtzeit-Kommunikation ist im Unternehmensalltag also längst angekommen. Aber, wo steht dabei die Unternehmenskommunikation? Wie nutzt sie die Chancen der Sozialen Medien in der Mitarbeiterkommunikation?
Bei der Schweizer Fluggesellschaft Swiss International Air Lines (Swiss) stellte sich die Herausforderung, große Personalkörper mit unterschiedlichen Interessen und Zugang zu Kommunikationsmitteln informiert und engagiert zu halten. Speziell bei den über 5.500 Piloten und Flight Attendants war es im Jahr 2011, in dem Daniel Bärlocher als Head of Corporate Communications zu SWISS stieß, schwierig, sie über einen gemeinsamen, digitalen Kommunikationskanal zu erreichen, da damals vom Unternehmen weder Smartphone, noch Tablet zur Verfügung gestellt wurde bzw. keine Konnektivität über den Wolken möglich war. Dennoch leitete Bärlocher die digitale Transformation ein, da alle Mitarbeitenden zu dieser Zeit ein eigenes Smartphone oder Tablet besaßen und bereits mit sozialen Medien vertraut waren. Da eine geschäftliche Nutzung aus obigem Grund nicht vorgeschrieben werden konnte, musste eine Lösung gefunden werden, damit die Mitarbeitenden den (freiwilligen) Kommunikationskanal auf ihrem Gerät nutzen, sich darüber informieren und am Dialog beteiligen.
Die Lösung? Swiss entwickelte zusammen mit einer Typo3-Agentur, also eine auf das Content Management System TYPO3 spezialisierte Internetagentur, eine Applikation, mittels derer attraktive, personalisierte und interaktive Inhalte zur Verfügung gestellt werden konnten. «Mobile first» war stets die Devise. Die «mySWISS» genannte App basiert auf Open Source, ist responsiv und verfügt über die Möglichkeit, Push Notifikationen zu versenden. Letzteres ist insbesondere in der Krisenkommunikation sehr wertvoll. Die App kann jeder Mitarbeitende im App-Store auf sein Mobiltelefon herunterladen und sich mit seinem Benutzernamen und Passwort anmelden. Das System erkennt den Benutzer und gewährt Zugriff auf alle für ihn relevanten Informationen: von der Unternehmensstrategie bis hin zu den persönlichen Einsatzplänen und der Möglichkeit, sich mit eigenen Beiträgen und Kommentaren einzubringen – jederzeit, von überall auf der Welt. Die Plattform ist interaktiv aufgebaut, sodass ein Austausch über eine Kommentarfunktion, Likes und Dislikes oder ein Forum erfolgen kann. Fragen von Mitarbeitenden werden von Corporate Communications oder den Kommunikatorenaus der Linie zeitnah beantwortet.
Ganz im Sinne von «Content is King» ist es entscheidend, dass die Inhalte attraktiv aufbereitet werden. Nur wenn die Mitarbeitenden einen Mehrwert haben, werden sie die App nutzen. Dem trägt die Kommunikationsabteilung mit ihrem neuen Organisationsaufbau Rechnung: Es wird bei Swiss nicht mehr zwischen interner und externer Kommunikation unterschieden, sondern zwischen Inhaltserstellung und -verbreitung. Die themenverantwortlichen Mitarbeitenden bereiten den Inhalt mit ihrem vertieften Wissen adressatengerecht auf. Demgegenüber produzieren die Kollegen in der Inhaltsverbreitung hochemotionale Inhalte, vorzugsweise mit Bewegtbild. Sie stellen zudem sicher, dass Inhalte über alle Kommunikationskanäle zur richtigen Zeit verbreitet werden. Dazu gehört die Bespielung weiterer digitaler Kanäle wie Swiss TV und eBoards. «Weniger ist mehr» ist – wie auch in der Echtzeitkommunikation des Funkverkehrs – das zentrale Motto. Mit der digitalen Plattform kann mit einer Tracking Software überprüft werden, welche Bereiche an welchen Inhalten wie stark interessiert sind. Dadurch kann die Kommunikation fortlaufend optimiert werden.
Was ein erfolgreicher und pragmatischer Ansatz von Swiss für die letzten sieben Jahre war, ist heute aufgrund der neu eingeführten Matrixorganisation innerhalb der Lufthansa Group leider kein gangbarer Weg mehr. Um die Kollaboration zwischen den Gruppengesellschaften sicherzustellen, wird Swiss mittelfristig die bereits bei zahlreichen Mitarbeitenden implementierte Plattform der Lufthansa Group weiterentwickeln undauf diese Plattform migrieren. Zurück bleibt eine sehr flexible und kostengünstige App, die zwar seitens Swiss nicht mehr weiterentwickelt, aber dafür nun anderen Unternehmen angeboten wird, die über keine fortschrittliche digitale Kommunikation verfügen. Die Imple-
mentierung nach eigenem CI/CD dauert weniger als zwei Monate. Sie heißt dann natürlich nicht mehr mySWISS, sondern so wie das jeweilige Unternehmen.
Fazit: «Die Trennung von interner und externer Unternehmenskommunikation
ist nicht mehr zeitgemäss», so Bärlocher. Im Sinne einer integrierten Kommunikation empfiehlt sich vielmehr eine Aufteilung zwischen der Erstellung und der Verbreitung von Inhalten. Entscheidend ist, dass die Inhalte mit Storytelling und Bewegtbild attraktiv und emotional aufbereitet werden. Bei der Mitarbeiterkommunikation sollten die Inhalte möglichst personalisiert zur Verfügung gestellt werden und individuell anpassbar sein. Nur dann werden sich die Mitarbeitenden informieren und die interaktiven Funktionen, mit denen sie von den Social Media-Applikationen bestens vertraut sind, auch nutzen.
Die Transformation zur digitalen Mitarbeiterkommunikation hat längst stattgefunden, es fehlen in vielen Unternehmen nur geeignete Plattformen, um den bereits «digitalisierten, vernetzten Mitarbeitenden» informiert und engagiert halten zu können. Daniel Bärlocher gibt zur Entwicklung der Mitarbeiterkommunikation zu bedenken: «Auch mit den modernsten, digitalen Plattformen bleibt die persönliche Face-to-Face-Kommunikation die wichtigste Form des Austauschs. Das sollte im Zeitalter der Echtzeit-Kommunikation nicht vergessen werden. Im Gegenteil wird ihre Bedeutung mit der fortschreitenden Digitalisierung sogar zunehmen.» Das klingt nach einem Visionär, der mit beiden Füßen auf dem Boden steht.
Literatur
• Buchmann, U. (2010). Interne Kommunikation und Corporate Identity in: Krankenhausmanagement: Debatin, J. F., Ekkernkamp, A. & Schulte, B.
(Hrsg.): Strategien, Konzepte, Methoden.
• Mast, C. (2013). Unternehmenskommunikation: Ein Leitfaden.
• Zerfass A., Tench R. Verhoeven P., Vercic D. & Moreno A. (2018). European Communication Monitor (2018) http://www.communicationmonitor.eu/2018/06/13/ecm-european-communication-monitor-2018/ (per 06.07.2018)
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